Warum noch Latein lernen?

Latein kann an der Gustav-Heinemann-Oberschule ab der siebten Klasse als zweite Fremdsprache und ab der neunten Klasse als zweite oder dritte Fremdsprache gelernt und in der gymnasialen Oberstufe mit dem Erhalt des Latinums abgeschlossen werden. Aber warum sollten Schüler heutzutage in einer Welt, die vor dem Hintergrund der Globalisierung nach Beherrschung möglichst vieler moderner Fremdsprachen verlangt, noch Latein lernen?

Latein_ExkursionDer Kurs 9.13WII auf Exkursion im Alten Museum (Museumsinsel Berlin). Im Hintergrund erkennt man die Basen ionischer Säulen, die nach antikem Vorbild konstruiert wurden.

1. Chancen des Lateinunterrichts

Da Latein die Basissprache Europas ist, kommt dem Lateinunterricht durch seine intensive Beschäftigung mit der Sprache und Kultur des antiken Roms sowie dem Fortleben der lateinischen Sprache bis in die Neuzeit eine Schlüsselfunktion zur Erschließung der europäischen Tradition zu. Durch die Förderung vielfältiger Kompetenzen trägt der Lateinunterricht bei den Schülern zur Entwicklung von Allgemeinbildung und Studierfähigkeit bei.

2. Latein als sprachliches Mehrzweckinstrument

Der Lateinunterricht leistet einen spezifischen Beitrag zur Weiterentwicklung der muttersprachlichen Kompetenz. Beim Übersetzen von lateinischen Texten verbessern die Schüler ihre Ausdrucksfähigkeit in der deutschen Sprache und schulen nachhaltig ihre Lesekompetenz, indem sie lernen, genau hinzusehen, geeignete Wörter und Ausdrücke zu suchen, sie kritisch zu prüfen, auszuwählen und kreativ anzuwenden. Dabei sind Sprach- und Inhaltsbetrachtung von Anfang an eng miteinander verzahnt. Indem allerdings die sprachlichen Erscheinungen selber Gegenstand intensiver Analyse werden, erwerben die Schüler im Lateinunterricht ein Bewusstsein dafür, wie Sprache grundsätzlich funktioniert. Diese Form der intensiven Sprachreflexion stellt eine wichtige Ergänzung des modernen Fremdsprachenunterrichts dar, dessen Hauptziel die Kommunikationsfähigkeit in der jeweiligen Fremdsprache ist.

Da eine große Anzahl europäischer Sprachen im Lateinischen wurzelt, bietet der Lateinunterricht eine gute Basis, bereits vorhandene fremdsprachliche Fähigkeiten zu vertiefen oder weitere Fremdsprachen zu erlernen. Insgesamt kann der Lateinunterricht zum Abbau von sozial bedingten Sprachbarrieren beitragen und die Chancengleichheit deutscher und vor allem auch ausländischer Schüler fördern.

3. Grundlagenfach europäischer Kultur

Der Lateinunterricht erschließt den Schülern einen fundierten Zugang zur europäischen Kulturtradition, stärkt das historische Bewusstsein und leistet einen wichtigen Beitrag zur Förderung einer gemeinsamen europäischen Identität. Im Lateinunterricht kann man erkennen, woher wir Europäer kommen und was uns bis heute verbindet. Der Lateinunterricht ist daher ein bedeutendes europäisches Grundlagenfach. So erhalten die Schüler einen Einblick in grundlegende Formen europäischer Literatur aus Antike, Mittelalter und Neuzeit (z.B. Biografie, Briefliteratur, Epos, Fabeldichtung, Geschichtsschreibung, Lyrik und Rhetorik) und in mythologische Grundmuster (z.B. Europa, Ikarus, Orpheus und Eurydike, Pygmalion). Daneben lernen sie die historischen Fundamente Europas kennen und werden mit Grundproblemen aus Politik und Gesellschaft, wie z.B. dem Problem von Macht und Recht, der Idee der Gleichheit und Würde aller Menschen oder der Frage eines gerechten Krieges, konfrontiert. Der Lateinunterricht führt die Schüler auch in wichtige Bereiche der Philosophie (Stoa, Epikureismus) ein und bietet vielfältige Gelegenheiten, über die Grundprobleme menschlicher Existenz nachzudenken. Darüber hinaus werden Einblicke in die Grundlagen der christlichen Religion sowie der bildenden und architektonischen Kunst (z.B. Theater, Villa, Tempel- und Städtebau) gewährt.

4. Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung der Schüler

Neben der Vermittlung von Sachwissen soll Schule vor allem die persönliche Entwicklung der Kinder und Jugendlichen unterstützen und fördern. Für die Entwicklung von Werthaltungen, die Förderung von Verantwortungsbewusstsein, die Fähigkeit zur Selbstkritik und die Entwicklung von Selbstbewusstsein kann der Lateinunterricht wertvolle Beiträge leisten. Durch die Beschäftigung mit zeitlich weit zurückliegenden Texten wird den Schülern ermöglicht, in Relativierung des eigenen Standpunktes distanzierter, neutraler und differenzierter auf die eigene Position zurückzublicken, ggf. den eigenen Standpunkt in Frage zu stellen und sogar mögliche Alternativen für das eigene Leben und Denken zu erörtern. Der Vorzug dieses Verfahrens zeigt sich am besten, wenn Inhalte behandelt werden, die Gefühle ansprechen, also z.B. die Fragen der privaten Lebensführung oder moralische Fragestellungen im öffentlichen und privaten Bereich. Die lateinischen Texte bieten als Denkmodelle die Möglichkeit zur exemplarischen Darstellung und Erörterung von Problemen.

5. Latein erleben

Neben dem schulischen Bereich ist Latein und die römische Kultur aber auch in Berlin und Umgebung präsent. So befindet sich im Alten Museum und Pergamonmuseum die Antikensammlung, eine der bedeutendsten Sammlungen für griechische und römische Kunst. Gezeigt werden der über 2000 Jahre alte Pergamonaltar mit seinem ausdrucksstarken Skulpturenfries vom Kampf der Götter mit den Giganten und unzählige weitere Vasen, Inschriften, Mosaiken, Bronzen und Schmuck. Desweiteren bietet die Gemäldegalerie auf dem Kulturforum Einblicke in die künstlerische Rezeption antiker Mythen während der Renaissance. In den Neuen Kammern im Park Sanssouci sind als Wandschmuck vergoldete Reliefs der Liebschaften antiker Götter dargestellt. Darüber hinaus kann man im Zentrum Berlins lateinische Inschriften an öffentlichen und kulturellen Einrichtungen entdecken, um diese zu übersetzen, in ihren historischen Entstehungsprozess einzuordnen und die Nachwirkung der lateinischen Sprache bis in die Neuzeit zu erforschen.